120 bunt schillernde und laut brüllende Boliden - das nahezu komplette Lamborghini-Programm vom 350 GT bis zum neuesten Gallardo Spyder bekommt auch der versnobte Schweizer Wintersportort nicht alle Tage zu sehen. Knapp 240 Lamborghini-Fans übertönen mit ihren PS-starken Boliden aus Santa Agata ohne jede Anstrengung das traditionelle Jodlerfestival, was nur ein paar hundert Meter weiter stattfindet. Auch beim Publikum haben es die volksmusikalischen Darbietungen schwer - Touristen und Einheimische haben doch eher Diabolo, Countach und LM 002 in ihre Herzen geschlossen.
Auch wenn es in den sommerlichen Alpenregionen oftmals eher beschaulich zugeht, so fügt sich die kunterbunte Lambo-Truppe problemlos in das Ortsbild von Sankt Moritz. Dort leben die Schönen, Reichen und Prominenten. Und solche, die es werden wollen. Da ist zumeist auch ein Sportwagen von Lamborghini nicht unbedingt selten.
Viele der Fans italienischer Automobilkunst waren zum Teil mehr als 1.000 Kilometer weit zu dem Treffen in die die Schweiz gereist. Herbert Busch ist zusammen mit seiner Frau aus der Nähe von Neuss gekommen. Sein Schmuckstück – ein 69er Miura - hat der Autofan ebenso zu Hause gelassen, wie seineen hier eher deplatzierten BMW-Oldtimer. Angesichts der langen Tour hat er sich für seine "Allzweckwaffe" entschieden, einen smarten Espada: dunkelgrüne Lackierung, beiges Leder und nicht einmal 50.000 Kilometer gelaufen.
"Den fahre ich jetzt seit etwa zehn Jahren. Ich hatte vorher schon einen anderen, ebenfalls in dunkelgrün", erzählt der sportliche 66jährige. "Auf längeren Strecken ist der Espada einfach komfortabler als mein Miura." Preiswert sind solche Spielzeuge nicht. Ein Espada kostet je nach Zustand zwischen 45.000 und knapp 60.000 Euro. Für einen Miura SV werden bis zu 330.000 Euro geboten.
Bunt - und selten dezent
Die meisten Lamborghini beim Treffen sind jedoch aktuelle Modelle: Gallardo, Gallardo Spyder, Murcielago oder die kantig-kernigen Diabolo – gerne bunt, selten dezent. Valentino Balboni, seit mehr als 40 Jahren Cheftestfahrer beim Lamborghini, schaut ebenfalls in Sankt Moritz vorbei. Lässig pilotiert er einen strahlend weißen 77er Countach durch die Menge.
Balboni kennt hier jeder. Und die, dich noch fragen müssen, werden von anderen wortreich in die bewegte Lambo-Historie eingeführt. Vor dem eleganten Hotel am Ortseingang strahlen zwei weitere Preziosen: ein dunkelroter 350 GT aus dem Jahre 1964 und einer der letzten produzierten Countach, silbermetallic und mit den bekannt mächtigen Schlappen.
Als sich am Morgen die Riege der zehn- und zwölfzylindrigen Kampfstiere aus dem Schlaf erhebt, geht ein Brüllen durch das noch verschlafene Sankt Moritz. Nur mühsam können die Alphornbläser aus Bern ihre Enttäuschung über die automobile Konkurrenz verbergen. Das zerlegte Instrument auf der Schulter ziehen sie - schwankend zwischen Begeisterung und Enttäuschung - zur nächsten Aufführung. Sorry, Buam, in den Morgenstunden ist die Schar der Zuhörer, die sich um Valentino Balboni scharen größer als die vor der Bühne im Hotel.
"Ich liebe alle Lamborghinis, die ich in den vergangenen 40 Jahren gefahren habe", erzählt der angegraute Balboni. "Aber natürlich ist mir der Miura besonders ans Herz gewachsen. Er war mein erster Testwagen.“
Reale Träume
Erleichterung bei den Musikanten, als sich die 120 Renner schließlich Richtung Julierpass aufmachen. Die 60 Minuten Startlärm nehmen die Musikanten gerne in Kauf - schließlich ist danach erst einmal bis zum späten Nachmittag Ruhe und man kann sich der wieder ungeteilten Aufmerksamkeit des Publikums sicher sein.
Für die 590 bis 790 Euro Teilnahmegebühr bekommen die Mitglieder der Lamborghini-Clubs ein buntes Programm mit Touren und Rundflügen geboten. Die meisten kommen jedoch wegen des Gedankenaustauschs. Wahre Lamborghini-Fans sind bei so einem Treffen schließlich alle - viele davon schon seit langen Jahren.
Herbert Rausch fährt seit 1991 in seiner Freizeit Lamborghini. Ein Fan war er schon viel früher. Seit seiner Studienzeit in den 60er Jahren hat er sein Herz an die italienische Sportwagenfirma und ähnlich wie Valentino Balboni besonders an den Miura verloren: "Von ihm habe ich schon zu Studienzeiten geträumt. Ich kann mich noch genau daran erinnern, als er auf einer Autoausstellung erstmals vorgestellt wurde. Schließlich habe ich mir den Traum verwirklicht."
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