Es ist ja nicht so, dass Audi keinen kleinen Roadster im Programm hätte. Doch echte Sportwagenfans rümpfen beim Antriebskonzept des aktuellen Audi TT Roadster die Nase: Er ist der einzige im sportlichen Quartett mit Boxster, SLK und Z4, der serienmäßig auf einer Frontantriebsplattform unterwegs ist. Ein für Puristen nicht zu verzeihender Makel. Auch die kommende TT-Serie, die 2013 zu den Händlern rollt, hat wieder eine Plattform für Quermotoren mit Frontantrieb und Allrad allenfalls als Option.
Erstmals zu bestaunen war der offene Audi-Prototyp dazu auf dem Pariser Autosalon im Herbst 2010. Wer den e-tron Spyder nun abseits von Messehallen und Blitzlichtgewitter in den Bergen nördlich von Malibu fahren sieht, der kann nur hoffen, dass er bald in Serie geht. Doch Entwicklungsingenieur Uwe Haller schüttelt vehement mit dem Kopf: "In dieser Form wird der e-tron Spyder keine Realität. Es geht uns um das Design und darum, Erfahrungen mit dem Antriebskonzept zu machen."
Denn der Antrieb des e-tron Spyder ist derzeit einzigartig. Im Heck des Spaß-Roadsters wummert der jüngst vorgestellt Powerdiesel mit drei Litern Hubraum, 313 PS und 650 Nm Drehmoment. Doch wenn die Fahrt beginnt, ist erst einmal nicht mehr als das Abrollgeräusch der breiten Reifen zu vernehmen. Der Grund ist denkbar einfach: Der kernig-knackige Zweisitzer mit der knapp geschnittenen Windschutzscheibe verfügt nicht nur über den V6-Powerdiesel, sondern auch über zwei zusätzliche Elektromotoren.
Während jedes dieser pro Stück 32 Kilowatt und 352 Nm starken Kraftpakete die Vorderachse mit Leistung versorgt, treibt der beim Prototypen nicht nennenswert gekapselte Selbstzünder die Hinterachse an. "Man kann mit dem e-tron Spyder zum Beispiel rein elektrisch aus einem Großraum wie Los Angeles herausfahren, um dann hier in den Bergen auf den kurvenreichen Straßen seinen Diesel-Spaß zu haben", erklärt Haller: "Die Akku-Reichweite liegt bei rund 50 Kilometern." Der errechnete Normverbrauch von 2,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer ist noch eindrucksvoller als die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4,4 Sekunden und eine zumindest theoretische Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h.
Bypass im Motor
Nachdem der 4,06 Meter lange und nur 1,11 Meter hohe Spyder die erste Meile rein elektrisch hinter sich gebracht hat und sich die ersten Kurven bergan erheben, bläst der Commonrail-Diesel im Heck zum Angriff. Bissig gibt der drehmomentstarke Selbstzünder seine Leistung an die Hinterachse. Die Elektromotoren vorne boosten derweil im Gleichklang. So lässt es sich fahren.
Kaum hat man das Gaspedal durchgetreten, geht das Potentiometer im kargen Cockpit auf 100 Prozent und das Triebwerk dreht in den Begrenzer. "Die Pfeifgeräusche kommen von einem Bypass im Motor", sagt der Prototypen-Experte Uwe Haller fast entschuldigend, während der offene Allradler durch die Mulholland-Hügel zischt. Der Prototyp wiegt 1.650 Kilogramm und im Gegensatz zu vielen anderen Audi-Modellen hat er die ideale Gewichtsverteilung von 50:50.
Leider steht bereits jetzt fest: Wieder einmal wird es eine Audi-Technologiestudie nicht in die Serie schaffen. Weitere Beispiele? Die Kurzversion des Audi Sport Quattro ist nahezu fertig entwickelt. Auch da gab es für eine Kleinserie noch kein grünes Licht. Und der omnipotente Audi R 8 V12 TDI mit dem brachialen V12-Diesel des Q7 fiel ebenfalls dem Ingolstädter Rotstift zum Opfer.
Dabei wird es Zeit, dass die Bayern wieder einmal eine ihrer Studien in die Serie entlassen. Das war zuletzt nur dem A7 als Luxuscoupé des A6 gelungen. Doch es scheint nicht ausgeschlossen, dass wenigstens das Grundkonzept des e-tron Spyder eine Zukunftschance hat. Ein echter Sportroadster als kleiner Bruder des R8 wäre durchaus denkbar. Dann müsste man sich nur noch mit dem Renault-Nissan-Konzern einigen: Die Bezeichnung "R4" dürfte noch belegt sein.
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