Vor exakt einem Jahr gab es auf der CES 2016 in Las Vegas den ersten großen Aufschlag von Faraday Future. Doch das Unternehmen, das sich visionär gerne im Umfeld von Innovationsfirmen wie Apple und Tesla sieht, hatte außer Ankündigungen bisher nicht viel zu bieten. Dabei will das Start-Up nicht weniger als die Mobilität neu erfinden. Doch nachdem es beim ersten großen Auftritt in der Wüste Nevadas vor einem Jahr nicht viel mehr als leere Sprechblasen gab, hat sich auch bislang nicht viel neues getan.
Bei etablierten Autoherstellern wie Audi, BMW oder Jaguar war Faraday Future auf Mitarbeiterklau gegangen, hatte in Interviews immer wieder kräftig auf den Putz gehauen und sich werbewirksam einen Platz in der aufstrebenden Formel E erkauft. Das Geld saß zumindest dem Anschein nach locker - auch für die neue Fabrik in Nevada, die derzeit auf einer Fläche von knapp vier Millionen Quadratmetern entsteht.
Ein Jahr nachdem Faraday Future auf der CES 2016 erstmals im Rampenlicht stand, sollten nun endlich Taten folgen. Mit dem FF 91 zeigten die Amerikaner und ihr chinesischer Finanzier zwar erstmals ein Serienfahrzeug, blieben jedoch vor den Augen von hunderten geladenen Gästen viele Fragen schuldig.
"Heute ist der erste Tag einer neuen Mobilität", leitete Firmenchef Nick Sampson ein, "der erste Tag einer neuen Gattung. Von einem Konzept sind wir in zweieinhalb Jahren zu einer funktionierenden Firma geworden. Andere machen nur kleine Fortschritte - doch man muss mehr unternehmen und genau das machen wir. Wir ändern das Spiel völlig."
Er beschrieb wortreich die großen Schritte der vergangenen 48 Monate, die mittlerweile knapp 2.000 eigenen Patente und dass sich der Mitarbeiterstamm auf 1.400 Personen aus 39 Ländern vergrößert habe.
Doch der Applaus in der längsten je aufgebauten Zelthalle hielt sich trotz der stimmungsvollen Ankündigungen in Grenzen. Nick Sampson oder Hong Bae, der Faraday-Kopf in Sachen Self Driving und künstliche Intelligenz, sind eben keine charismatischen Vortänzer wie Elon Musk oder Steve Jobs.
Der Applaus war selbst dann noch nur zurückhaltend, als auf der Bühne der Echtzeitversuch gemacht wurde. Der Faraday Future 91 trat beim Spurt von 0 auf 60 Meilen gegen so elitäre Konkurrenten an wie Bentley Bentayga, Ferrari 488 GTB, Tesla Model X oder Model S - und verputzte sie mit einer Zeit von unter 2,4 Sekunden allesamt.
Auch wenn der weiß-schwarze Prototyp nun auf der Bühne steht, bleiben Fragen ungeklärt
Die Leistungsdaten des Elektrosportlers können sich denn auch sehen lassen: 873 kW/1050 PS und ein sagenhaftes Drehmoment von 1.800 Nm, "die wir aufgrund unserer speziellen Software auch auf den Boden bekommen", sagt Nick Sampson. Angesichts dessen sind die 20 Minuten Verspätung und die nicht enden wollende psychodelische Dauerbeschallung vor einem endlosen Bühnenlichtermeer vergessen.
"Es geht uns nicht allen um Automotive", wiederholt Nick Sampson im Brustton der Überzeugung immer wieder: "Wir sind ein Technologiekonzern. Wir hatten keine Geschichte oder existierenden Produkte und konnten mit einem weißen Blatt Papier beginnen."
Die Sprüche von Faraday Future bleiben kernig. Doch auch wenn der weiß-schwarze Prototyp nun auf der Bühne steht, bleiben Fragen ungeklärt.
Nach wie vor ist die Fabrik in Nevada weit von einer Serienproduktion entfernt. Auch zu Dingen wie Vertrieb, Händlerschaft, Service, Märkten oder Preisen gibt es keine griffigen Informationen.
Stattdessen sickerte in den vergangenen Monaten durch, dass viele der in den vergangenen zwei Jahren eingekauften Experten das Unternehmen bereits wieder verlassen haben. Immer wieder machen Informationen die Runde, wonach Zulieferer und Unternehmer überlang auf ihre Gelder warten und Vereinbarungen nicht eingehalten werden.
Immerhin: Das Design des 5,25 Meter langen FF 91 ist ansehnlich, wenn auch nicht allzu spektakulär. Auffällig sind nicht nur die üppige Gesamtlänge, sondern auch der mit 3,20 Metern mächtige Radstand, die LED-Lichtbänder rundum und mächtige 22-Zöller. Hinter den gegenläufig öffnenden Türen gibt es bei dem Prototypen opulent Platz für vier Personen, wobei besonders im Fond kaum Wünsche offenbleiben. Das Auto ist komplett vernetzt und bietet ein in sich geschlossenes Ökosystem, das sich per Smartphone, Stimme und Berührung intuitiv bedienen lassen soll.
Das Akkupaket selbst hat eine Kapazität von 130 kWh und Reichweiten bis zu 700 Kilometer
Eine künstliche Bordintelligenz soll dafür sorgen, dass der FF 91 jeden Tag und jeden Kilometer etwas schlauer wird. "Er lernt, wann der Fahrer sportlich unterwegs sein möchte, wann es betont komfortabel sein soll und welche Temperatur er bevorzugt", erläutert Hong Bae, "einen Schlüssel gibt es nicht mehr."
Dass der 91er vollautonom im Straßenverkehr unterwegs sein kann, versteht sich ebenso, wie dass die nervige Parkplatzsuche der Vergangenheit angehören soll. Das macht das Elektromobil der nahen Zukunft natürlich ebenfalls von selbst. Für Sicherheit sorgen zehn Kameras, 13 Radars, zwölf Sensoren und ein 3D-Lidar, der aus der Fronthaube ausfährt, wenn er autonom unterwegs ist.
"Möglich ist das alles nur durch unsere neue, variable Plattform", sagt Chefentwickler Peter Savagian, "die Bodenplatte mit dem Akkupaket sorgt für Sicherheit und die Vierradlenkung für ein gutes Handling. Zudem gibt es ein offenes Ladesystem, mit dem sich der FF 91 pro Stunde für maximal 500 Meilen aufladen lässt." Das Akkupaket selbst hat eine Kapazität von 130 kWh und soll Reichweiten bis zu 700 Kilometern realisieren. "Reichweitenängste wird es mit uns nicht mehr geben", versichert Savagian.
Der Preis des Faraday Future 91 steht noch nicht fest, soll sich jedoch in einem konkurrenzfähigen Umfeld bewegen. Wer auf den Zug aufspringen will, kann eine Bestelleinzahlung von 5.000 Dollar machen, um unter den ersten Kunden zu sein. Ein nicht genannter Anteil der Kaufsumme soll bei jedem Fahrzeug für ökologische Produkte gespendet werden.
Bleibt abzuwarten, ob und bis wann Faraday Future seinen Ankündigungen auch Taten folgen lässt. Nicht nur Hauptkonkurrenz Tesla schaut jedenfalls höchst interessiert auf das chinesisch-amerikanische Unternehmen.
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