Noch ist Elektromobilität kein Sonderangebot. Vor allem die teuren Akkus drehen an der Kostenschraube. Deren Wertverlust ist hoch und bei der Gesamtkalkulation nicht zu vernachlässigen. Denn vor allem zum Wiederverkauf ist die Skepsis groß bei Autos, die schon drei oder vier Jahre alte Batterien verbaut haben. Zumal die Preise für Akkus in den nächsten Jahren vermutlich drastisch sinken werden. Doch was wäre, wenn man zum Nulltarif stromern kann? Oder sogar mit seiner Batterie Geld verdient? Ähnlich, wie mit einem Solardach?
Der Schlüssel zum billigen Stromern ist der Schwarm. Im Verbund sollen die Batterien bald Teil der allgemeinen Energieversorgung werden und so Engpässe ausgleichen. "Das wird ein Technologieumbruch", glaubt Stefan Ritter, einer der beiden Geschäftsführer von "The Mobility House", einem Unternehmen, das sich um alle Belange der Elektromobilität nach dem Autokauf kümmert und auch mit den Autoherstellern zusammenarbeitet.
Die ersten Schritte zu dieser Revolution sind bereits gemacht. Ganz entscheidend etwa ist eine sichere Ladestruktur. Dafür ist die haushaltsübliche Schuko-Steckdose nicht geeignet. Eigens installierte Wallboxen und Gleichstrom-Ladestationen pumpen die Akkus schneller wieder voll.
Nun steht die nächste Stufe auf dem Weg zum intelligenten Laden an. Die bislang gebräuchliche Art, die Akkus erst vollzuladen und dann eine ganze Zeit lang stehen zu lassen, ist der Lebensdauer der sensiblen Batteriezellen nicht gerade zuträglich. Ebenso wenig mögen die Akkus den leeren Ladezustand. Doch "das Batteriemanagement ist heute auf einem Stand, bei dem die Thema Alterung keine Rolle mehr spielt", sagt Ritter. Erprobt wird das bereits in einem kleinen Flottenversuch.
Mit der steigenden Zahl von Elektromobilen eröffnen sich weitere Möglichkeiten
Auch bei BMW gibt es ein Forschungsprojekt "Gesteuert Laden". Dabei wird nur der Strom ins Auto befördert, der gebraucht wird. Weiß der Besitzer eines E-Mobils, dass der Weg in der Regel nur 80 Kilometer statt 150 Kilometer lang sein wird, lädt er nur so viel Strom ins Auto, wie nötig. Die anstehenden Fahrten können sogar mit Outloook berechnet werden und bei der Kalkulation der Strommenge spielt auch das topografische Profil der Strecke eine Rolle. Das planen die Autobauer bereits für die nächste E-Mobil-Generation anhand der Daten des Navigationssystems. Dann wird zum Beispiel bis zur höchsten Stelle Energie verbraucht und beim Bergabfahren wieder fleißig rekuperiert.
Braucht der Fahrer für eine längere Strecke mehr Energie als sonst, muss er das aktiv eingeben. Auch der gewohnte Habitus, einfach anzustecken und den Strom fließen zu lassen, soll bald der Vergangenheit angehören. Dann wird nicht mehr an einem Stück, sondern im Extremfall in mehreren 15-Minuten-Einheiten geladen - dann, wenn die Strompreise am günstigsten sind. Außerdem kann so die Batterie auf einem Ladeniveau gehalten werden, dass sie am besten verträgt.
Mit der steigenden Zahl von Elektromobilen eröffnen sich weitere Möglichkeiten. "Stecken viele Kunden ihr Auto zum gleichen Zeitpunkt an, lässt sich mit diesem Schwarm von Batterien im günstigsten Fall sogar Geld verdienen", erklärt Marcus Fendt. "Wir sprechen da, je nach Land und Markt, von 500 bis 1.500 Euro pro Jahr." Grund: Der Strompreis schwankt - und bei einem Großkundenmit 5.000 Autos sind die Preise besser, wenn man sich die besten Zeiten rauspickt.
Mit diesen 5.000 Akkus lässt sich ein gigantischer Speicher generieren, der den Strom auch dann aufnimmt, wenn es Überkapazitäten gibt und das Stromnetz aus dem Gleichgewicht gerät. Etwa wenn die Sonne länger scheint als vorhergesagt, oder wenn ein Kraftwerk mehr Strom einspeist, als verabredet. Dann stehen die E-Mobile bereit und agieren wie ein Großabnehmer. Statt der Kraftwerke würden die vielen Batterien das Speichern der überflüssigen Energie übernehmen. Die Technik für dieses unidirektionale Laden gibt es bereits.
Was hinter den Kulissen vor sich geht, bekommt der Kunde erst nicht mit
Dieser Schwarm muss effizient koordiniert werden. Das übernimmt zunächst der Hersteller, der dann auch einen speziellen Stromtarif - zum Beispiel nur mit Naturstrom - anbieten kann. Diese gebündelte Einkaufskraft für Strom nutzt auch dem Autofahrer. Wenn das Stromtanken zum Nulltarif Realität wird, reduzieren sich die Betriebskosten eines Basis-BMW-i3 laut einer Beispielsrechnung von 3.805 pro Jahr Euro auf 3.321 Euro pro Jahr. Die Gesamtbetriebskosten (Total Cost Ownership) reduzieren sich bei einer Laufzeit von acht Jahren und einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern pro Jahr von 30.440 Euro auf 26.570 Euro.
Der Kunde bekommt letztendlich den Strom kostenlos und auch der Kaufpreis des Autos könnte sich verringern, da es einen Mehrwert schafft. Die einzige Auflage wäre dann, dass der Fahrer sein Auto an das Stromnetz anschließen muss, sobald er daheim ist. Was hinter den Kulissen vor sich geht, bekommt der Kunde erst nicht mit. Er freut sich über eine monatliche Überweisung oder eine reduzierte Leasingrate für sein Elektromobil.
Der nächste Schritt steht bevor: das bidirektionale Laden. Dann würden die Autos, beziehungsweise ihre Batterien sich aktiv an der Stromversorgung beteiligen, den Strom bei Bedarf wieder in das Netz einspeisen - und so Geld verdienen. Ähnlich, wie ein Dach mit Fotovoltaik-Zellen. Noch sind in den Autos die technischen Voraussetzungen für dieses Vehicle-to-Grid-Laden nicht gegeben - aber 2016 soll es soweit sein.
Die Angst eines vorzeitigen Alterns der Batterie ist laut Stefan Ritter dabei unbegründet. Vollzyklen, also das Laden von leer auf voll, setzen die Zellen einem überdurchschnittlichen Stress aus, der zu einer schnellen Alterung führt. Das wird mit einem Ladealgorithmus verhindert, der den Ladebereich der Batterie in einem günstigen Bereich hält und daher die Alterung fast komplett eliminiert. Entscheidend ist auch, dass keine großen Leistungen bewegt werden.
"Das ist die Energiewende pur. Nur dass jetzt ein neuer Spieler die Szenerie betritt, der dezentral aufgestellt ist. Man braucht also keine großen Kraftwerke oder Speicher mehr," sagt Marcus Fendt.
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