Peter Schreyer hat bei Kia ganze Arbeit geleistet. Bevor der Bayer vom Volkswagen-Konzern als Chefdesigner zu Kia wechselte, boten die Kia-Modelle zwei Handvoll kaum wiedererkennbarer Familiengesichter - und keine Spur von einer hauseigenen Designlinie. Mittlerweile präsentieren sich Ceed, Optima und Sportage innen und außen wie aus einem Guss.
Dabei kann der Antrieb nicht immer mit dem sportlich-dynamischen Designanspruch mithalten. Echte Sportwagen sucht man bei Kia vergeblich und selbst die Sportversionen sind eher zahme Stubenkater, denn wilde Raubkatzen. Viel Arbeit für Albert Biermann, der im Frühjahr von der bayrischen M GmbH in den Hyundai Konzern wechselte und dem Markendoppel Hyundai/Kia nun ähnliche Flügel verleihen soll, wie Kreativkopf Peter Schreyer.
Der 56jährige Biermann zeichnete bei dem Garchinger BMW-Ableger für die Entwicklung verantwortlich und drückte sportlichen Versionen wie M3/M4, M5/M6 oder den bärenstarken X-Modellen seinen Stempel auf. Wie schon Peter Schreyer im Bereich Design bedienen sich die Koreaner des deutschen Insiders, um die koreanischen Marken weiter nach oben zu schrauben.
Biermann steht in den Entwicklungszentren in Namyang sowie in Rüsselsheim und am Nürburgring ein Team aus insgesamt rund 1.200 Ingenieuren zur Verfügung, die Hyundai und insbesondere der sportlicher positionierten Marke Kia eine neue Sportlichkeit impfen sollen.
Hyundai bekommt dafür eine eigene Performance-Submarke, die den Buchstaben "N" tragen soll. Ob die zukünftigen Leistungsausbeuten der N-Versionen jedoch an die seines einstigen Arbeitgebers, der M GmbH heranreichen werden, darf bezweifelt werden. "Es geht nicht vorrangig um Motorleistung", sagt Albert Biermann, "sondern um mehr Fahrspaß, präzisere Fahrwerke und Lenkungen."
Dass das bei Hyundai oder Kia ausreicht, erscheint angesichts des starken Wettbewerbsumfelds jedoch unwahrscheinlich. Ein VW Golf ist als R-Sportversion längst mit 300 PS zu bekommen, ein Ford Focus RS mit 350 PS und Kompaktklassemodelle wie der Mercedes AMG A45 oder der Audi RS3 liegen bei deutlich über 350 PS. Ganz zu schweigen von den Fahrzeugklassen darüber.
Bald dürfte es auch mit der Leistungszurückhaltung und den vergleichsweise kleinen Vierzylindermotoren vorbei sein
Selbst wenn sich Kia und Hyundai in einem ersten Schritt dezent dahinter einsortieren, muss mehr als eine Schaufel Vitamine nachgelegt werden. Derzeit üben sich die Modelle von Kia oder Hyundai in koreanischer Zurückhaltung. Selbst die Mittelklasselimousine Kia Optima war bisher nur mit 136 PS (Diesel) und 165 PS (Benziner) im Programm. Ein 245 PS starker Zweiliter-Turbo im Optima GT wurde auf der IAA erstmals gezeigt. Vom erfolgreichen Mittelklassemodell Ceed gab es zumindest eine leicht angeschärfte GT-Version mit 204 PS und 230 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Dabei dürfte es mittelfristig nicht bleiben. Insbesondere die fehlenden Commonraildiesel in einem Leistungsspektrum zwischen 150 und 200 PS tun den Koreanern im dieselgeneigten Europa weh. Zudem gibt es abseits der Crossover bisher in keiner Fahrzeugklasse den bei der Konkurrenz längst etablierten Allradantrieb. Immerhin sind mittlerweile immer mehr Modelle mit modernen Turbo-Direkteinspritzern und Doppelkupplungsgetrieben im Programm, um hier insbesondere gegen die europäische Konkurrenz zu bestehen.
Wohin die Reise letztlich gehen soll, zeigt der erste Auftritt des N-Markenablegers auf dem Hyundai-Messestand der IAA. "Mit dieser Performance-Marke werden wir die Art und Weise verändern, wie unsere Kunden die Marke wahrnehmen und was sie von uns erwarten", sagt Biermann, der auf halben Weg zwischen der Konzernzentrale in Seoul und dem Entwicklungszentrum Namyang wohnt: "Schon bald werden Hyundai-Fahrer den Nervenkitzel aus dem Motorsport selbst erleben."
Auch ein echter Sportwagen nach dem Vorbild der GT-Studie von 2011 scheint nach Aussagen von Michael Cole, COO von Kia Motors Europe, längst beschlossene Sache. Dann dürfte es auch mit der Leistungszurückhaltung und den vergleichsweise kleinen Vierzylindermotoren vorbei sein. "Bis 2018 wird bei uns jedes Modell neu kommen", ergänzt Michael Cole, "das sind neun Fahrzeuge - inklusiv eines großen Kombis und eines kleinen SUV."
Daran kann sich dann auch Albert Biermann austoben. Die ersten Runden auf der Nürburgring Nordschleife dürften ab Frühjahr 2016 in den Asphalt gebrannt werden. Alles im Dienste der neuen Sportlichkeit.
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