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Es ist Winter. In Dearborn im US-amerikanischen Bundesstaat Michigan heißt das: viel Schnee und Eiseskälte. Der Anblick des  Ford-Hauptsitzes sorgt mit seinen antik wirkenden Backsteinhäusern und seiner verlassenen Toreinfahrt auch nicht gerade für warme Gefühle. Eine kleine, grüne Zimmerpflanze scheint hier, außer dem gelangweilt auf flimmernde Überwachungsbildschirme starrenden Pförtner, das einzige Lebewesen zu sein. Doch selbst sie lässt angesichts der hier herrschenden Tristesse ihr Köpfchen hängen. Dabei sollte hier doch eigentlich alles strahlen, tanzen und gute Laune versprühen angesichts des automobilen Höhepunktes, der hier auf die Räder gestellt wurde.
Die Rede ist vom neuen Ford GT, der Ende 2016 für knapp 400.000 Euro auf die Straße kommen soll. Insgesamt werden pro Jahr 250 Exemplare des Supersportlers produziert. Und seine Geburtsstunde, seine Schöpfung fand genau hier, im verschneiten Dearborn nahe Detroit statt.
Nach einer kurzen, typisch amerikanischen Sicherheitsbelehrung geht es auf die Suche nach dem geheimsten Raum der Autowelt. Ein paar Negativ-Formen für Felgen sowie Schaumstoff- und Plastikabfälle säumen den Weg bis zur letzten Tür, neben der auf einem großen blauen Schild mit weißer Schrift die Worte "Ford - design milling and measurement group" zu lesen sind: Hier wird also gefräst und vermessen. Tarnen und täuschen nennt man das. Das wird klar, sobald einer von insgesamt nur zwei existierenden primitiven Schlüsseln die Tür öffnet - so wie damals am 13. Oktober 2014, dem Tag als der Rauim zum ersten Mal für eine gabz besondere Top-Secret-Mission aufgeschlossen wurde.
Schon nach wenigen Augenblicken und wenigen Metern innerhalb des größten Geheimnisses nach der Area 51 gibt es keinen Zweifel, dass hier etwas Wundervolles geschaffen wurde und auch immer noch wird. Inmitten von ein paar Designobjekten in Groß und Klein, vielen beposterten Stellwänden und einer gewaltigen 3D-Fräse stehen sie: drei lebensgroße Versionen des neuen Ford GT.
Der Wunsch, die nach oben hin öffnenden Türen aufzureißen und Platz zu nehmen steigt sofort auf. Bei zumindest einem der drei Objekte würde dieser Versuch jedoch lediglich mit blauen Flecken und zerkratzen Fingernägeln enden. Denn in Wahrheit ist es nur ein lackiertes Tonmodell.
Ford US-Design-Chef Chris Svensson erklärt die Wahl für diesen unscheinbaren Raum: "Das ganze Projekt sollte so unauffällig wie nur möglich parallel zu allen anderen Projekten stattfinden. Nur zwölf Personen hatten Zugang zu diesem Raum. Wir gingen sogar soweit, die modernen Elektronikschlösser gegen konservative Schlüssel-Schlösser auszutauschen, weil uns das sicherer erschien. Neben Designchef Moray Callum besitzt noch Entwicklungschef Raj Nair einen Schlüssel - das war es. Will irgendjemand anders in diesen Raum, dann muss er solange warten, bis die Chefs da sind. Nahezu niemand ahnte, was hier unten entsteht!"
"Andere Supersportwagenhersteller bieten noch Platz für Golf-Bags oder -Schläger, wir nicht"
Das Ziel war von Anfang an klar gesteckt, sagt der Designer: "Wir wollten keinen Ferrari oder Lamborghini nachbauen. Wir wollten unser eigenes Ding durchziehen. Dieser GT im Rennwagentrimm soll nichts weniger als den Klassensieg bei den diesjährigen 24 Stunden von LeMans gewinnen." Das Ziel ist nicht aus der Luft gegriffen: Schon vor genau 50 Jahren sorgte Ford mit dem GT Mk2 und den Fahrern Bruce McLaren und Chris Amon für den Gesamtsieg. Die Plätze zwei und drei sind damals ebenfalls von Ford GT Mk2-Fahrzeugen belegt worden.
Um dieses ambitionierte Ziel erneut zu realisieren, wurde bei der Entwicklung der Fokus auf die Aerodynamik und erst an zweiter Stelle auf den Motor gelegt. Chef-Ingenieur Jamal Hameedi: "Wir entwickelten erst das Aerodynamiksetup. Erst danach pickten wir uns den effizientesten Ecoboost-Motor heraus, den wir für dieses Projekt finden konnten. Andere Supersportwagenhersteller bieten noch Platz für Golf-Bags oder -Schläger, wir nicht. Warum wir den 3,5 Liter V6 genommen haben? Wenn andere Jungs zwei weitere Zylinder mit sich herumschleppen wollen, bitte schön. Wir erreichen unsere 500+x PS auch mit einem Sechszylinder-Aggregat." Dass es am Ende bei der Straßenversion sogar 600+x PS sein werden, gilt mittlerweile als offenes Geheimnis.
Entwicklung des neuen Ford GT | Video: Ford
Fast noch mehr als der kompakte Motor im von tiefen Luftdurchlass-Schluchten bestimmten und per Knopfdruck fünf Zentimeter herunterfahrbaren Aluminiumkleid fasziniert aber das Innere des Ford GT. Dort wirkt irgendwie alles größer als es eigentlich ist.
Die Magie dieser Traumfabrik im Keller eines öden Forschungszentrums ist auch eine Magie des Maßstabs. Beginnend beim 35 Zentimeter breiten Lenkrad, das sowohl an der Ober- als auch an der Unterseite abgeflacht ist, über den 6,5 Zoll großen Infotainment-Bildschirm in der Mittelkonsole bis hin zum Rückspiegel wirkt dort alles mindestens eine Nummer größer. "Wir konnten nicht einmal den Spiegel aus einem Fiesta nehmen, da dieser zu viel Sicht rauben würde", sagt der Chef des Interieur-Designs, Amko Leenarts.
"Die Sitze sind festmontiert, um ein paar Zentimeter an Kopffreiheit zu gewinnen. Die Pedale und das Lenkrad sind bis zu 20 Zentimeter herausfahrbar. Zugleich sitzen die beiden Insassen so nah bei einander, dass sich fast ihre Schultern berühren, beziehungsweise der Fahrer locker die Beifahrertür aufmachen kann." Für den Beifahrer haben die Designer anstelle des Handschuhfachs auf Wunsch eine offene Box in den Fußraum gepackt, wo er zum einen Halt findet und zum anderen ein paar Kleinigkeiten hineinpacken kann.
Kleinigkeiten, wie die Urkunde zum LeMans-Sieg? Für einen Pokal ist kein Platz mehr.
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