Wenn am Donnerstag, dem 14. September, die Frankfurter IAA zum 67. Mal ihre Pforten öffnet, werden viele Messestände fehlen. Man wird es kaum sehen - denn der Veranstalter VDA weiß seit langem, dass viele Autohersteller der Frankfurter Messe diesmal einen Korb geben. So werden die Lücken geschickt gefüllt sein. Doch nie zuvor fehlten auf der Großveranstaltung, die alle zwei Jahre rund um den Frankfurter Messeturm stattfindet, mehr große Autofirmen.
Die Liste der Absagen ist 2017 länger denn je. Nissan, Fiat, Mitsubishi, Infiniti, Maserati, Peugeot und DS werden ebenso fehlen wie Alfa Romeo, Jeep oder Volvo. Die deutschen Hersteller trauten sich diesmal noch nicht, der Heimmesse, die sich ihren Platz im jährlichen Wechsel mit dem Pariser Autosalon teilt, eine Absage zu erteilen.
Doch es ist kein Geheimnis, dass die IAA bei nahezu allen Autoherstellern auf dem Prüfstand steht. Die Gründe sind vielfältig und drängen sich geradezu auf. Wer als Hersteller ein wirkliches Highlight präsentieren will, der tut dies kaum noch auf einer Automesse. Dort gehen selbst wichtige Modellneuheiten im Wust der zahlreichen anderen Firmen und derer Premieren unter. Zudem hat sich der Event einer Messe an sich für viele seit Jahren überholt.
Waren das noch Zeiten, als Motorama in den 50er Jahren durch die USA zog. Die Straßen dort waren leergefegt, wenn Motorama in die Stadt kam. General Motors hatte die Veranstaltung Motorama im Jahre 1949 ins Leben gerufen und so die Idee von Alfred P. Sloan weiterentwickelt, der technische Innovationen seit den 30er im Hotel Waldorf Astoria der Öffentlichkeit nahebrachte. Die amerikanische Bevölkerung sollte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Lust auf Autos bekommen. So wurden nicht nur Neuheiten, sondern insbesondere auch Studien, Prototypen oder spektakuläre Einzelstücke in Szene gesetzt. Bei der Erstauflage nach dem Zweiten Weltkrieg kamen bereits mehr als 600.000 Besucher. Nach dem lokalen Erfolg ging Motorama ab 1953 auf Tour durch die Vereinigten Staaten. US-Klassiker wie die Corvette, Cadillac Le Mans oder die Fiberglas-Modelle wurden so zu Legenden. Das Publikum strömte und kaufte in den Wochen danach bei lokalen Händlern die Neuheiten.
Noch schwieriger dürfte es mittelfristig auch für andere große Automessen wie in Detroit, Genf, Tokio oder Paris aussehen
In diesem Jahr scheint es die Aussteller auf der IAA besonders hart zu treffen. Niemand hat derzeit so richtig Lust auf Autos. Man weiß nicht, ob Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor langfristig überhaupt noch eine Zukunft haben. Der größte Teil der Neuheiten auf der IAA werden jedoch genau solche Fahrzeuge sein. Die Zeit der Hybriden scheint vorbei zu sein, noch bevor sie so recht begonnen hat. Die Modelle stehen wie Blei in den Autohäusern und wurden schneller als es die meisten erwartet hätten, von Elektrofahrzeugen abgelöst. Die kommen nur langsam auf den Markt und werden, abgesehen von Teslas Model 3 - jüngst selbstverständlich ohne jeden Messebezug in Kalifornien präsentiert -, kaum nachgefragt.
Das knappe Dutzend Autohersteller, die diesmal nicht zur IAA reisen, kann sich angesichts der schwierigen Branchenstimmung nur beglückwünschen. Die gesparten Millionen lassen sich für andere Events und Marketingmaßnahmen bestens investieren. Kaum anzunehmen, dass einer von ihnen in zwei Jahren wieder auf der IAA-Zug aufspringen wird. Noch schwieriger dürfte es mittelfristig auch für andere große Automessen wie in Detroit, Genf, Tokio oder Paris aussehen.
Ohnehin sind die Autoshows weltweit nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihre Bedeutung für die Autoindustrie wird künstlich am Leben erhalten. Echte Neuheiten sind selten. Denn der Kostenaufwand für die Hersteller ist gigantisch. Ein Messeauftritt, wie ihn die großen heimischen Automarken des VW-Konzerns, Daimler oder BMW in Frankfurt in eigenen Hallen präsentieren, kostet mit allem Drumherum wie Standpersonal, Lichttechnik und Umbau zwischen Presse-, Fachbesucher- und Publikumstagen weit mehr als 25 Millionen Euro. Einige IAA-Auftritte sollen bereits die 50-Millionen-Euro-Marke geknackt haben.
Der Nutzen, den man daraus ziehen kann, ist nur schwer abzuschätzen. Fraglos geht es um deutlich mehr als die neuen Fahrzeuge an sich. Auf einer Messe wie der IAA stehen insbesondere Markenimage und Positionierung im Vordergrund. Betont weiche Faktoren, die sich im Nachgang nur schwer kontrollieren lassen. Dabei ist auch die IAA viel mehr als nur eine Automesse. Es geht um den wichtigsten deutschen Industriezweig, eine Visitenkarte Deutschlands, wenn nicht gar Europas.
Statt der klassischen Shows zieht es die Firmen dagegen mehr auf anderes, bisher weitgehend unbekanntes Messeterrain
Dabei spielt die Musik im weltweiten Autogeschäft längst woanders. Der europäische Markt ist gesättigt und bekanntermaßen besonders herausfordernd. Die großen Konzerne verdienen ihr Geld längst in Ländern wie China, Indien, Südkorea oder den USA. Dort interessiert sich kein Kunde für einen funkelnden Messeauftritt mit stolz vortragenden Konzernchefs unter dem Frankfurter Messeturm. Das gilt mehr denn je für die internationalen Medien. Die meisten Neuheiten sind bereits im Vorfeld bekannt und die Messe interessiert medial nicht mal mehr bis zum ersten Wochenende.
Braucht man in Zeiten von TV, allgegenwärtigem Internet und grenzenloser Informationen für die automobilen Neuheiten überhaupt noch eine Messe? Wohl kaum. Als General Motors auf seiner Motorama-Show des Jahres 1954 erstmals ein Modell wie den Chevrolet Corvette Nomad Concept Station Wagon sich auf dem Präsentierteller drehen ließ, jubelte das Publikum auf. In Serie ging die Konzeptstudie wie viele andere nie. Doch als Imageträger und Stimmungsmacher kennen das Einzelstück viele noch heute.
Kein Wunder dagegen, dass bei vielen Messemodellen heute schon Monate vorher feststeht, dass sie nur als Messe-Kanonenfutter taugen. Längst dienen die Messen deshalb nicht mehr als automobile Leistungsschau, sondern als reisende Visitenkarte des Konzerns. Anders sind gigantische Auftritte wie das einst auf der Agora der Frankfurter Messe gelandete weiße Audi-Raumschiff, eine gigantische BMW-Halle mit zwei Etagen oder die gigantische Umgestaltung der Festhalle Frankfurt durch den Daimler-Konzern kaum zu erklären.
Statt der klassischen Shows zieht es die Firmen dagegen mehr auf anderes, bisher weitgehend unbekanntes Messeterrain. Auf der Suche nach einer neuen Kundenansprache werden Messen wie die Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas, die Möbelmessen in Norditalien oder die New York Fashion Week immer wichtiger. Autos sind dort zwar nicht mehr als schmückendes Beiwerk - doch man präsentiert sich in einem anderen, ungewöhnlichen Umfeld, bestenfalls mit Anspruch, Ambiente und Charme.
Kein Wunder also, dass Mercedes seit Jahren ein festes Standbein bei Modemessen hat und selbst die Mikromarke Bugatti auf der Mailänder Modewoche eine Herbst-/Winterkollektion vorstellte. Immer größer werden die Messeauftritte der Automarken auf der CES in Las Vegas. Dabei geht es weniger darum, in der Szene der IT-Nerds neue Kunden zu gewinnen. Vielmehr präsentieren sich Hersteller wie Audi, General Motors, Mazda, Kia, BMW und Mercedes-Benz mit technischen Innovationen wie Laserlicht, autonomem Fahren oder einer voll vernetzten Bordelektronik als besonders zukunftswillig und visionär. Das wird in Frankfurt nicht gelingen.
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