Über Jahrzehnte war die E-Klasse von Mercedes-Benz das Maß der automobilen Oberklasse. Doch zuletzt reichte es nur noch für Platz drei, da inzwischen Audi A6 und insbesondere 5er BMW in dem Segment die Maßstäbe setzen. Auf der Detroit Motorshow schlägt Mercedes nun mit der neuen E-Klasse der Baureihe W 213 zurück. Sie hat nun rund ein Jahr Zeit, verlorene Kunden zurückzuholen und neue Fans zu locken - denn dann legen BMW und Audi mit Konkurrenzmodellen nach.
Das eigenständige Design der E-Klasse ist dabei blass geblieben. Man muss schon zweimal hinschauen, ob es sich nicht um eine aktuelle C- oder vielleicht doch eine S-Klasse handelt. Da sitzen die Schwaben mittlerweile mitten in der Audi-Falle: Die drei Limousinen sehen sich zum Verwechseln ähnlich.
Etwas mehr optischer Abstand zu den beiden Geschwistermodellen hätte der E-Klasse schon allein deshalb gutgetan, weil man insbesondere bei Technik und Innenraumgestaltung ein neues Kapitel aufschlägt. Da setzt das Oberklassemodell mit seinen Anzeigen, Bedienelementen und Funktionen sogar die S-Klasse unter Druck.
Im Vergleich zum Vorgängermodell hat der Schwabe um 4,3 Zentimeter auf eine Gesamtlänge von 4,92 Metern zugelegt. Der auf 2,93 Meter gewachsene Radstand macht sich für die Fondpassagiere jedoch kaum bemerkbar. Das Platzangebot ist nicht so opulent wie es eine Verlängerung von 6,5 Zentimetern vermuten lässt.
Zum Marktstart im April ist die neue E-Klasse mit nur zwei Motoren verfügbar
Im Innenraum selbst setzt die neue E-Klasse jedoch Maßstäbe. Materialien, Verarbeitung, klimatisierte Sitze vorne und hinten, umfangreiche Massageprogramme und die beiden 12,3 Zoll großen Bildschirme schaffen jede Menge Eindruck und Wohlfühlambiente. Umso überraschender, dass die Mercedes Limousine bei der Serienausstattung ziemlich patzt. So bleiben serienmäßig nicht nur die standesgemäßen LED-Scheinwerfer außen vor, sondern auch die beiden Großdisplays oder ein Navigationssystem. Allemal überraschend für die nach eigenen Aussagen intelligenteste Business-Limousine der Welt.
Auch beim Motorenangebot kommt es allenfalls zu einer Tröpfchenübertragung der W 213er-Leidenschaft, denn die E-Klasse ist zum Marktstart im April mit nur zwei Motoren verfügbar. So gibt es zunächst mit E 200 und E 220d gerade mal Brot und Butter. Der Basisbenziner mit vier Zylindern leistet 135 kW/184 PS, 300 Nm maximales Drehmoment und soll 5,9 Liter Super verbrauchen.
Deutlich wichtiger dürfte insbesondere auf dem europäischen Markt das komplett neu entwickelte Vierzylinder-Dieseltriebwerk sein, das mit dem Mercedes E 220d startet. Da leistet der OM 654er-Motor 143 kW/195 PS und 400 Nm. Sein Normverbrauch liegt bei 3,9 Litern. Der zwei Liter große Selbstzünder kommt später noch mit zwei Leistungsversionen mit 150 und 231 PS. Topdiesel bleibt der betagte E 350d mit 258 PS.
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"Dreizylinder wird es bei uns nicht geben", unterstreicht Hubert Schneider, Erprobungsleiter der E-Klasse. Über das Jahr folgen stärkere Versionen wie E 250 (211 PS), E 300 (245 PS) E 400 (333 PS) und AMG 450 (367 PS). Ein neuer Sechszylinderdiesel dürfte erst 2017 mit der dann überarbeiteten S-Klasse vorgestellt werden und bis zu 400 PS leisten.
Bis 130 km/h kann das System wie in einem Schwarm durch Berücksichtigung von umgebenden Fahrzeugen aktiv eingreifen
Abgesehen von den Einstiegsversionen gibt es für alle Varianten eine Neungang-Getriebeautomatik, sowie für viele Varianten einen optionalen Allradantrieb. Besonders sparsam ist der Plug-In-Hybrid des E 350e, der mit einer Systemleistung von 205 kW/279 PS und 600 Nm nur 2,1 Litern Superkraftstoff verbrauchen soll und an der Steckdose aufgeladen werden kann.
Serienmäßig ist die Mercedes E-Klasse mit einem Stahlfederfahrwerk ausgestattet. Optional gibt es wie bei der kleineren C-Klasse eine variable Luftfeder. Besonders beeindruckend ist der neu entwickelte Drive Pilot, der E-Klasse nahe an das autonome Fahren heranführt. Er kann als Abstands-Pilot auf Autobahnen und Landstraßen nicht nur automatisch den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen halten, sondern ihnen auch erstmals im Geschwindigkeitsbereich bis 210 km/h folgen. Der Fahrer wird entlastet, indem er im normalen Fahrbetrieb nicht durch Bremsen oder Gas geben eingreifen muss und durch den Lenk-Pilot deutlich unterstützt wird. Bis 130 km/h kann das System wie in einem Schwarm durch Berücksichtigung von umgebenden Fahrzeugen auch bei nicht eindeutigen Linien oder sogar ohne Linien auf der Fahrbahn aktiv eingreifen.
In Verbindung mit dem Navigationssystem Comand Online kann die zuschaltbare Teilfunktion Geschwindigkeitslimit-Pilot über Kamera erkannte Geschwindigkeitsbeschränkungen selbstständig regeln. Ebenfalls praktisch: Über das Mobiltelefon lässt sich die E-Klasse von außen ähnlich wie der 7er BMW in enge Parklücken steuern - und wieder heraus. Für weitere Sicherheit am Lenkrad sorgen neben den bekannten Sicherheitssystemen ein Kreuzungs- und ein Ausweich-Lenk-Assistent.
Die Preise für die neue E-Klasse, die später als Kombi, Coupé und Cabriolet sowie als viertüriger CLS zur schwäbischen Großfamilie ausgebaut wird, stehen noch nicht fest. Sie dürften aufgrund des harten Wettbewerbs jedoch auf Höhe des ausgelaufenen Modells liegen. Heute startet der 136 PS starke "Taxler-Traktor" Mercedes E 200 Bluetec bei 41.412 Euro.
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