Der Fahrer am Steuer gehorcht, gibt Gas und reißt das Lenkrad herum – ein fast irrwitziges Manöver. Eigentlich müsste der Wagen jetzt auf der Schneepiste unkontrolliert gegen die nächste Felswand schleudern. Stattdessen ignoriert der Motor den Vollgas-Befehl, nimmt die Leistung dosiert zurück und lässt den X3 in einer sanften Kurve kontrolliert auslaufen.
Beim "Winter Technic Drive" in Sölden hat BMW seinen Allradantrieb xDrive, den es nun auch für die 3er Reihe gibt, im Extrem-Einsatz präsentiert. In 2.800 Metern Höhe im Skigebiet auf dem Rettenbach-Ferner mussten BMWs Quattro-Konkurrenten zeigen, wie gut sie sich beim Slalom-Rennen im dichten Schneegestöber, beim Anfahren auf spiegelglatter Fahrbahn oder beim Driften im rutschigen Schneematsch schlagen.
Zauberformel 4x4
Die Kraftverteilung beim xDrive liegt im Normalbetrieb bei 40:60 Prozent zugunsten der Hinterachse und wird über eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung geregelt. Je nach Fahrbahnzustand kann der X-Drive das Antriebsmoment stufenlos verteilen. Der Antrieb sucht sich die Räder aus, die gerade auf der Fläche mit dem besten Grip stehen, und leitet die Kraft dorthin – im Extremfall bis zu 100 Prozent. Das Anfahren auf glatter Fläche wird damit zum Kinderspiel.
Deutlich wird der Vorteil des xDrive auch in Kurven. Durch die variable Kraftverteilung werden sowohl Unter- als auch Übersteuern weitgehend verhindert. So fährt der Wagen in Kurven wie auf Schienen – vorausgesetzt, man unterschätzt seine Geschwindigkeit nicht. Gegen eine Eisplatte im falschen Moment und mit zu viel Speed kann auch die Technik nichts mehr ausrichten.
Spaß-Modus
Gleich am ersten Tag des "Technic Drive" landet ein Touring in einer Schneewehe. Der bereit stehende Geländewagen musste allerdings nicht zum Einsatz – mit einem anderen BMW und einem Abschleppseil befreiten die Fahrtrainer den im Schnee fest gefressenen Wagen. "Zu schnell gefahren und eingelenkt, dann eine Eisplatte – da kannst Du nix machen", kommentiert der österreichischer Trainer.
Der xDrive-Antrieb greift auf die Daten der dynamischen Stabilitätskontrolle DSC zu. Das DSC liefert unter anderem Informationen über Lenkeinschlag, zur Geschwindigkeit und Querbeschleunigung. Damit beim "Fahren wie auf Schienen" die Fahrfreude nicht zu kurz kommt, gibt es den "Spaß-Modus" DTC. DTC setzt die Empfindlichkeit des DSC herab. "Mit DTC steht der Vortrieb im Vordergrund, nicht die Spurstabilität", sagt xDrive-Entwickler Christian Billig.
Wer bremst, verliert
"Während im normalen Modus bereits bei einem Driftwinkel von ein bis zwei Grad das DSC korrigiert, erlaubt der DTC-Modus fünf bis zehn Grad", erklärt der BMW-Ingenieur weiter. Beim Slalom-Kurs wird der Unterschied deutlich: Ohne DTC hält der xDrive selbst einen 5er Touring auf Kurs - wenn man nicht gerade mit zuviel Speed von den Gesetzen der Physik in die Schneewehen gewiesen wird. Mit DTC kann man elegant um die Hindernisse herumwedeln. Vor allem im kleinen 3er kommt so wesentlich mehr Fahrspaß auf. Treibt es der BMW-Pilot zu bunt, hat der xDrive eine Schutzengel-Funktion: "Bei etwa 15 Grad Driftwinkel wird wieder – und dann wesentlich härter – eingegriffen", erläutert Christian Billig.
Wer ganz auf elektronische Helferlein verzichten möchte, kann das DSC komplett ausschalten. Dann geht es rund auf Eis und Schnee. Ist man das Fahren mit Allradantrieb nicht gewohnt, greift die Hand in kritischen Situationen manchmal unbewusst zur Handbremse. Der Handbrems-Drift oder die "Starsky und Hutch-Wende" sind allerdings beim Allradantrieb tabu. „Wenn man die Handbremse zieht, kann es - quasi in Rückwärts-Richtung - einen Schlag mit 1.800 Newtonmetern auf die Antriebswelle geben", sagt der Organisator des Technic Drive, Thomas Karl. Das kann den Antrieb zerlegen. Und wer will das schon.
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