Guy Lebreton ist 72. Aber die Ausfahrten aller Pariser Kreisel beherrscht er immer noch wie im Schlaf. Zusammen mit seinem Kollegen Serge Tognoni stellt er sich derzeit einer Herausforderungen, die jedoch selbst die Pariser Rushhour übertrifft: Paris - St. Petersburg in neun Tagen.
Wenn mehr als 50 Jahre Taxi-Erfahrung in einem Auto versammelt sind, kann natürlich bei der Navigation nichts schief gehen. In Paris fährt Guy beim Taxi-Unternehmen G7 (das 1000 Autos hat) einen Mercedes C-Klasse. Bei der Tour ist es - natürlich - eine E-Klasse, komplett - natürlich - mit originalem Pariser Taxi-Schild. "Ständig halten Leute den Daumen raus und wollen mit. Aber wir sind ja nicht im Dienst", grinst der Franzose. Der Taxameter läuft trotzdem spaßeshalber mit - und zeigt bei jeder Etappe fast 1000 Euro an. Bei dem deutschen Taxi, das ebenfalls an der Tour teilnimmt, kommen jeden Abend ähnlich astronomische Summen zusammen.
Die schönste Fahrerin bei der Etappe nach Warschau ist zweifellos das Supermodel Eva Padberg. Die Thüringerin ist im goldenen Bambi-Benz an Bord. Mit Eva in der Tür würde allerdings sogar ein Fiat Panda schick aussehen.
Natürlich sind nicht nur Promis und Journalisten bei der Langstreckenfahrt dabei. Die Sekretärin Doris Bauer zum Beispiel hat die Teilnahme bei einer Zeitschrift gewonnen. "Ich habe mich beworben und musste einen Fahrsicherheits-Test bestehen", erzählt sie. Ihre Tochter verfolgt jetzt jeden Abend im Internet, wo Mama sich gerade steckt.
Auch Mario Vorpahl aus Hamburg (verheiratet, Sohn Paul ist sieben Monate alt) hat die Tour-Teilnahme gewonnen. Neben den schönen Landschaften haben den Außendienst-Mitarbeiter vor allem die Hotels beeindruckt: "Die sind alle takko", schwärmt der Hamburger. Er freut sich schon auf St. Petersburg: "Ich war schon einmal da, aber das hieß es noch Leningrad. Ich bin gespannt, wie sich alles verändert hat."
Die Hölle heißt Landstraße
Zuerst aber geht es nach Warschau. Und das ist bislang die anstrengendste Etappe. 660 Kilometer durch Polen schlauchen ganz schön. Die Autobahnen sind pikobello hergerichtet, aber meistens extrem wenig befahren. An den 11 Zloty Maut kann es eigentlich nicht liegen. Die Landstraßen dagegen sind die Hölle - die Geschwindigkeitsbegrenzungen wechseln im Minutentakt zwischen 40 und 90, es gibt Staus ohne Ende. Für etwas Abwechslung sorgen schon kurz hinter der Grenze zahllose Stände mit Gartenzwergen. Eine solche Ansammlung geschmacklicher Entgleisungen haben wir selten erlebt. Aber wer gerne Plastik-Bambis im Garten hat, wird hier sicher fündig.
Was manche Touristen hier noch so treiben, kann man sich auch vorstellen. Am Wegesrand finden sich hier und da Bordsteinschwalben sowie das ein oder andere eindeutig beschilderte Etablissement.
Während wir uns auf den polnischen Landstraßen brav an die Tempovorgaben halten, werden wir des Öfteren mit 100 Sachen in der Kurve überholt. Einmal rauschte sogar ein Polski-Fiat an uns vorbei. Man sollte ja meinen, dass diese Blechzwerge längst alle vom Rost zerfressen sind, aber sie gehören im ländlichen Polen noch zum Straßenbild. Geschwindigkeitsbeschränkungen sind hier eher freundliche Empfehlungen. Wir zählen schon nicht mehr mit, wie oft auf einer zweispurigen Straße dank der breiten Seitenstreifen zwei bis drei LKW und PKW nebeneinander her und aneinander vorbei fahren.
Der erste kleine Crash
Den ersten Crash hat es bei der Tour auch schon gegeben - wenn auch zum Glück nur einen leichten. Ein chinesisches Team hat bei der Ausfahrt aus dem Schloss Rogalin einen Radfahrer touchiert, der aber nicht verletzt wurde. Die Polizei war schnell zur Stelle - ob die Kollegen weiterfahren konnten, wissen wir noch nicht.
In unserem Wagen mit der Nummer 16 droht mittlerweile übrigens der Kommunikations-Overkill. Neben E-Tracker, CB-Funk und zwei Navigationssystemen schleppen wir noch ein Walkie-Talkie (zur Absprache bei Fahraufnahmen) und drei Handys mit uns herum. Langsam werden die Ablagen knapp. Aber mal schauen - wenn es morgen in die baltischen Staaten geht, sind wir vielleicht froh um jede Möglichkeit der Verständigung.
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