Die Altstadt von Warschau, 6 Uhr 30 morgens. Beim Blick aus dem Hotelfenster fühlt man sich in die 80er Jahre zurückversetzt: Die 1,7-Millionen-Metropole ist in ein verwaschenes Tuch aus Nebel und Smog gehüllt. Die Altstadt ist trotzdem wunderschön - auch wenn wir sie beim Start zur fünften Etappe nur aus den Augenwinkeln sehen. An einer Hausfassade hängt ein gigantisches Plakat von Johannes Paul II. In Polen haben wir mit Benedikt keine echte Chance - Karol Wojtyla wird bei unseren Nachbarn immer der Papst der Herzen bleiben.
Aber man muss ja nicht Papst sein, um freundlich empfangen zu werden. Wenn unsere Fahrzeuge durch die Dörfer rollen, winken uns Kinder zu. Mercedes-Fahrer grüßen schon mal mit der Lichthupe. Auf einem Marktplatz scharen sich Leute um den Wagen und bombardieren uns nach anfänglicher Skepsis mit Fragen.
Unser Weg führt uns mitten durch die Masuren. Die Landschaft ist traumhaft. Vor allem die zahllosen in voller Herbstpracht stehenden Alleen haben es uns angetan. Als es nachmittags allerdings zu regnen anfängt, ist Vorsicht angesagt. Rutschiges Laub, tiefe Schlaglöcher - hier heißt es Fuß vom Gas, und wir sind froh um den Allradantrieb in unserer "Nummer 16". An den Rändern der Landstraßen zeugen hunderte von Kreuzen davon, wie oft sich Autofahrer verschätzt haben. Aber auch Kruzifixe und Madonnen gibt es in Polen allerorten - Notrufsäulen für die Seele. Da kann selbst Bayern nicht mithalten.
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Als wir die Grenze zu Litauen überqueren, ist es schon dunkel und das Wetter saumäßig. Die Landschaft erinnert an Niedersachsen oder Teile Mecklenburg-Vorpommerns: Hier und da ein Wäldchen, ansonsten flaches Land, Felder bis zum Horizont und viele, viele Kühe. Aber die Litauer sind stolz darauf, zur EU zu gehören. Einige nennen sie die "Skandinavier des Ostens" - ruhig, höflich, manchmal etwas reserviert, aber nach ein paar Worten tauen sie meistens schnell auf. Trotz der Nähe zu Russland sucht man kyrillische Schriftzeichen in Litauen vergeblich. "Viele können zwar russisch sprechen, tun es aber nur ungern", weiß mein Fahrer-Kollege Thomas aus Thüringen zu berichten.
Auf den letzten 200 Kilometern nach Vilnius haben wir dann noch einiges zum Überholen in Litauen gelernt. Gut, dass wir vorher schon in Polen an die osteuropäische Auffassung von Verkehrssicherheit herangeführt wurden. Regel Nummer Eins: Wenn noch ein Polski-Fiat hineinpasst, ist die Lücke zum Überholen groß genug. Regel Nummer Zwei: Bei schlechten Sichtverhältnissen überholt man besonders oft, denn dann sieht man die Gefahr wenigstens nicht kommen. Und schließlich Nummer Drei: Jeder Überholvorgang, bei dem es nicht kracht, war erfolgreich.
Wir sind trotzdem zuversichtlich, unseren Schlitten sicher nach St. Petersburg zu geleiten. Morgen wagen wir uns aber erst einmal auf die "Via Baltica" und freuen uns auf Lettland und Riga.
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