Auf dem Weg zum Convention Center sind die Straßen voll wie an jedem Werktag in Downtown L.A. Die Menschen bereiten sich auf das Thanksgiving-Fest und von überdimensionalen Plakaten strahlen die Stars der Los Angeles Autoshow herab. Die Gallone Kraftstoff - das sind knapp vier Litern - kostet weiterhin gerade mal drei Dollar. Und jeder auf der Autoshow ist froh, dass er gerade nicht in Detroit sein muss - das kündigt sich erst wieder für den eiskalten Januar an.
In Los Angeles rücken sich derweil die zunehmend zuversichtlicher werdenden Autohersteller mit Messeauftritten, Neuheiten und bunten Darbietungen wieder in ein freundlicheres Licht. Die Show präsentiert sich wieder so optimistisch, wie schon vor drei oder vier Jahren. Der Fast-Untergang der amerikanischen Autoindustrie war damals noch kaum mehr als ein irreales Horror-Szenario und Elektroautos waren noch Exoten.
Entsprechend ausgefallen sind die Exponate. Einen so abgefahrenen Crossover wie den offenen Nissan Murano hat man seit dem offenen Ford Bronco in den frühen 80 Jahren nicht mehr erlebt. Dazu ein sehenswerter Cityflitzer wie der Cadillac ULC oder der muskulöse Dodge Durango - es darf gespielt und gestaunt werden. Anfassen und hereinsetzen dringend erwünscht.
Die Europäer zeigen sich in der sonnigen Hauptstadt der US-Westküste gewohnt stark. Mercedes CLS 63 AMG, der 330 PS starke Porsche Cayman R oder der offene VW Eos zeigen die Lust an sportlichen Autos für diejenigen, die das nötige Kleingeld haben. Messehostessen strahlen mit den Kühlerfiguren und Hochglanzfelgen um die Wette. Angenehm: nicht jeder Messebauer musste die Ausstellungsfläche mit einer möglichst großen Anzahl von weithin sichtbaren Stromkabeln auf grün trimmen.
Selbst im Infokanal des benachbarten Messehotels JW Marriott läuft rund um die Uhr ein Trailer vom brandneuen und 557 PS starken Mercedes CLS 63 AMG - that’s California. Der coole Europa-Flitzer Fiat 500 feiert seine offizielle US-Premiere und Lotus unterstreicht mit dem zweiten furiosenen Auftritt nach dem Pariser Autosalon erneut, dass der Marke eine goldene Zukunft mit fünf neuen Sportwagen bevorsteht. Amerika wir kommen!
Zeigen, was man hat
Nicht nur die europäischen Hersteller wollen sich in Los Angeles nach zwei schweren Jahren die Erdnussbutter nicht vom Bagel nehmen lassen. Man zeigt gerne, was man hat und bekennt sich zu grünen Tugenden ohne sie allzu sehr in den Vordergrund zu stellen. Schließlich hat der Autoamerikaner Pick Ups, Vans und Luxuslimousinen wieder lieb gewonnen.
Am Messestand von BMW hatten viele das neue 6er Cabriolet erwartet. Doch im Convention Center gibt es nur die zweite Garde und somit die Paris-Studie des 6er Coupés. Der offene 2+2-Sitzer steht noch im kalten München – seine Messepremiere findet erst im winterlichen Detroit statt. Da stellt sich Volkswagen schlauer an und zeigt erstmals den frisch überarbeiteten VW Eos – nun im aktuellen VW-Look.
Sogar eine Reihe von sehenswerten Designkreationen hat den Weg nach Los Angeles gefunden. Aufsehen erregender Star bleibt die Studie des grandiosen Jaguar C-X75 mit Gasturbinenantrieb. Dave Kunz vom Morgenfernsehen des lokalen Senders "abc7" gehen vor der Kamera die Augen über. "Hybrid, Elektro, Sparsamkeit – ein dröger Prius war gestern. Unglaublich, wie sexy dieser Jaguar C-X75 aussieht. Leider noch Zukunftsmusik."
Doch auch ein Mazda Shinari, die sportliche Vision des Mazda6-Nachfolgers, das BMW 6er Coupé Concept, der cool-weiße Audi Quattro Concept oder der kantige Kleinwagen Cadillac ULC (Urban Luxury Concept) sorgen für Farbkleckse in den Messehallen des Convention Centers.
Rückkehr zur Spaßgesellschaft
Die amerikanischen Autohersteller und die asiatischen Importeure mit Produktion in den USA sparen sich ihre großen Highlights oftmals bis zum Jahresanfang und dem Großevent in Detroit auf. Doch auch Fahrzeuge wie das Chevrolet Camaro Cabriolet, der Chrysler 200, der überarbeitete Chrysler Voyager oder der in Deutschland als Honda Accord Tourer bekannte Acura TSX zeigen eine wenn auch leicht bodenständige Rückkehr zur automobilen Spaßgesellschaft.
Infiniti M 35h oder der ebenfalls hybride Kia Optima weisen, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen soll. Doch nicht vergessen: Von 16 Millionen verkauften Neuwagen wie vor drei bis vier Jahren in den USA ist man trotz besserer Stimmung weit entfernt. Viel mehr als elf bis zwölf Millionen Neuzulassungen werden mittelfristig kaum erwartet und der Blick in Richtung China als automobilem Weltmarkt Nummer eins ist bei aller Freude kritischer denn je.
Auch die allseits beliebten SUV spielen in Los Angeles wieder eine nennenswerte Rolle. Der Saab 9-4X, der nun auch fünftürige kleine Range Rover Evoque, ein Mini Countryman und der neue BMW X3 setzen neue Crossovergefühle ebenso stilecht in Szene wie der Ford Explorer oder der neue Dodge Durango. In den USA ist ein Automarkt ohne SUV kaum denkbar - auch wenn sich der ein oder andere kleine Neuling wie der Nissan Juke oder der Mini Countryman in Szene setzen kann.
Kalifornien bleibt für viele Hersteller der wichtigste lokale Automarkt weltweit. Hier steht man seit Jahren nicht nur auf leistungsstarke Boliden, sondern auch auf neue Ökomodelle wie den Toyota RAV4 EV, den elektrisierenden Kia Pop, einen Nissan Leaf oder den Honda Electric. Öko ja - aber bitte sportlich und natürlich emotional. Mit echten Kleinwagen scheint dort dagegen auch weiterhin kein Staat zu machen.
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