Für innovative Antriebstechnologien, spektakuläre Crossover-Studien und die neusten Trends interessiert sich auf der Automesse Techno Classica in Essen niemand. Blitzender Chrom, strahlende Kühlerfiguren und jede Menge automobiler Individualismus – was Besucher der internationalen Automessen seit Jahren vermissen, gibt es bei der Techno Classica im Überfluss. Anfassen, reinsetzen, fachsimpeln. Autos – mal wild und verrückt oder spektakulär, mal einzigartig und klassisch, mit Charme oder einzigartigem Karma sind in dieser Form wohl nur in den Essener Grugahallen zu bestaunen.
Die Techno Classica ist keine Automesse wie jede andere. Wie sollte sie auch? Hier geben Oldtimer den Ton an – in den vergangenen Jahren effektvoll unterfüttert von einem immer größer werdenden Youngtimertrend. Die präsentierten Fahrzeuge aus den verschiedenen Epochen haben eines gemeinsam: Sie sind alt, haben Geschichte und nicht nur Experten lieben ihre Schwächen, die sie sich zumeist über Jahrzehnte bewahrt haben. Seitdem sich die Youngtimer einer immer größer werdenden Fangemeinde erfreuen, ist der Andrang bei der Techno Classica noch größer geworden.
Wer in diesen Tagen zur Essener Gruga kommt, liebt Autos, Chrom und Geschichte. Das haben längst auch die Autobauer verstanden, die Mitte September ihre neuen Karossen auf der IAA strahlen lassen und hier ganz andere Zeichen setzen. Große Hersteller wie BMW, Audi, Mercedes, Opel, Ford, Mercedes, Peugeot oder Citroen sind auch in Essen vertreten. Der Aufsehen erregende Daimler-Auftritt in Halle 1 des Messezentrums zeigt, wie Mercedes in diesem Jahr 125 Jahre Automobil feiert. Wo sonst gibt es in strahlendem Licht 600er-Pullman, Mercedes Simplex und eine goldene G-Klasse Seite an Seite zu bestaunen. Der VW-Konzern mit seinen Hauptmarken Volkswagen, Audi und Skoda hält sich kaum weniger zurück und lässt die Besucher bei Puma GTS, Cheetah, Quattro-Legenden und dem ersten Golf Cabriolet Prototypen (noch ohne Überrollbügel) staunen.
"In Essen wird nicht nur Tradition gezeigt, sondern die Techno Classica selbst ist uns schon zur Tradition geworden", sagt Karl Baumer, Leiter der BMW Group Classic. "Wir sind besonders froh, dass nach fünfjähriger Abstinenz mit Rolls-Royce auch die Traditionsmarke schlechthin wieder bei uns auf dem Stand vertreten ist."
Große Bühne für die Stars ...
Nicht derart imposant wie bei Mercedes, VW oder BMW, aber doch kaum weniger sehenswert erstrahlt bei Peugeot das exklusive Laudaulet vom Typ 184, das aus dem Peugeot-Museum in Sochaux seinen Weg nach Essen gefunden hat. "Der Wagen wird von einem Sechszylinder-Motor mit Schiebetechnik und 80 PS angetrieben", strahlt Heinzrudolf Oberhäuser aus dem Peugeot-Museum und zeigt dabei stolz auf die Samtorgie im Luxusfond und den springenden Löwen als Kühlerfigur. "Von dem Peugeot Typ 184 wurden in den Jahren 1928 und 1929 gerade einmal 43 Fahrgestelle gefertigt."
Die betagten Stars der Hersteller bekommen in Essen eine große Bühne, doch das eigentliche Geschäft ist ein anderes. Zur Techno Classica kommen Jahr für Jahr wahre Autofans. Solche, die Quartettspiele liebten, verchromte Träume haben und denen ein Weißwandreifen ebenso blumige Gedanken bereitet wie die lang gesuchte Verteilerkappe oder ein Drehzahlmesser für den alten Morris Minor. Die Messe Essen erwartet bei der diesjährigen Techno Classica mehr als 180.000 Zuschauer.
Keine Oldtimershow ohne ein Teilemesse. Da die Oldies nun mal in die Jahre gekommen sind, ist der Druck auf dem Teilemarkt groß. Das gilt für einen BMW 700 kaum anders als für einen Mercedes Flachkühler oder einen Fiat Topolino. Ohne Ersatz- und Zubehörteile geht bei einem Oldtimer nichts und bei einem Youngtimer wenig.
Doch nicht nur Kühlergrills, Ledersitze, Motorenteile und Rückspiegel sind in den Essener Messehallen heiß begehrt. Es gibt wohl keine Automesse, bei der mehr Fahrzeuge ihren Eigentümer wechseln, als bei der Techno Classica. Nicht nur die großen Oldtimerhändler aus Deutschland, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden nutzen die Veranstaltung als Verkaufsplattform. Auch Auktionshäuser preisen ihre stählernen Karossen an und spülen viel Geld in die eigenen Kassen.
Größter Parkplatz für die Porsche
Ein Rundgang über die Messe zeigt schnell, warum die Techno Classica von vielen als wohl größter Porsche-Parkplatz der Welt bezeichnet wird. Hunderte von 911er-Modellen jeglicher Ausgestaltung bevölkern die Hallen.
Oldtimerfans wissen dabei insbesondere die Qualität der angebotenen Fahrzeuge zu schätzen. Der technische und optische Zustand der allermeisten Fahrzeuge in Essen ist gut bis perfekt – egal ob Bentley Blower, Ford Taunus oder Porsche 912. Risikoloser kann man kaum einen Oldtimer kaufen – vorausgesetzt man bringt das entsprechende Geld mit. Denn so hochwertig wie die Fahrzeuge sind, so überteuert sind die meisten auch. Wenig spektakuläre 911er-Versionen aus den frühen 70er Jahren schlagen gerne mit 70.000 bis 90.000 Euro zu Buche und für eine ordentliche Corvette aus den 60ern sind mehr als 70.000 Euro ebenso keine Seltenheit wie 86.900 Euro für einen 1998er Bentley Azure, einst das teuerste Serienauto der Welt.
Da erscheint die topgepflegte Ente vom Typ Citroen 2CV AZ von 1966 für 18.900 Euro im Topzustand oder ein schmucker BMW 628i für 7.500 Euro schon fast als Schnäppchen. Für solche Beträge ist an das Horch 853 Sportcabriolet von 1936 natürlich nicht zu denken.
Und wer sich keinen echten Oldtimer leisten kann oder will, stöbert in den Teilehallen nach exklusiven Automodellen im Kleinformat. Davon werden in Essen noch mehr als von den großen Vorbildern verkauft. Für viele Oldtimerfans sind die Modelle in den Maßstäben 1:18 oder 1:43 genauso begehrenswert wie die 1:1.
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