Zwei Auspuffrohre, mindestens zwei Zentimeter Tieferlegung und Radhäuser, die geschätzte vier Zentimeter breiter sind - darunter geht beim GTI-Treffen am Wörthersee nichts. Jedes Jahr pilgern über 100.000 Jünger des VW-Klassikers nach Reifnitz im österreichischen Bundesland Kärnten.
Jahrelang genoss das Treffen Kultstatus und blühte mehr oder weniger beachtet von der Öffentlichkeit vor sich hin. Doch vor sieben Jahren änderte sich einiges. Angeblich schlenderten damals VW-Chef Martin Winterkorn und der Vorsitzende des Aufsichtsrates Ferdinand Piech über das Treffen. Piech, der am Wörthersee eine Villa hat, meinte nur kurz: "Gell Herr Winterkorn, im nächsten Jahr sind wir auch dabei."
Gesagt, getan. Im folgenden Jahr war Volkswagen mit einem eigenen Stand vertreten und funktionierte seither die Zusammenkunft zunehmend zur hauseigenen Messe um. Die echten Pimp-My-Ride-Freaks finden sich mittlerweile eine Woche vor dem eigentlichen Event an der Tankstelle Mischkulnig oder auf dem großen Parkplatz in Faak am See, um Ihre Preziosen zu zeigen.
Dem Volksauflauf an Christi Himmelfahrt tut das wenig. Noch immer ziehen Volksscharen in das beschauliche Örtchen, um sich und ihresgleichen zu feiern. Noch immer ziehen die Herren der Schöpfung blank, werden Frauen bemalt, Autos und vor allem die dazugehörigen Models bestaunt, Reifen auf dem Gummi-Platz in weißen Rauch verwandelt, gejohlt, wenn eine Dame ihre Reize präsentiert und kräftig dem Gerstensaft zugesprochen. VW heizt die Stimmung noch mit Gastauftritten von Musik-Stars an. Nach DJ Ötzi, den Fantastischen Vier und Peter Maffay waren dieses Jahr Scooter mit Frontmann HP Baxter dran. Doch die Regie haben nicht mehr die Zuschauer, deren Forderung nach dem Erstlings-Hit "hyper, hyper" nicht erhört wurden.
Bei Audi haben die Konzept-Autos am Wörthersee Tradition
Wer etwa genauer hinter die Kulissen der Studien schaut, der entdeckt Interessantes und Zukunftweisendes. Die Studie "Design Vision GTI" etwa nimmt optische Elemente kommender GTI vorweg und zeigt, wie ein Sportwagen aussehen könnte. Immerhin werkelt ein Drei-Liter-TSI-Motor mit 503 PS und einem maximalen Drehmoment von 560 Newtonmetern unter der Motorhaube. Spitzengeschwindigkeit 300 km/h.
Ganz nebenbei zeigten die Wolfsburger noch ein Sondermodell: "Scirocco Million" mit 18 Zoll-Felgen und R-Line Applikationen feiert den einmillionsten Scirocco. Ebenfalls sehenswert ist ein Über-Amarok mit 272 Diesel-PS. Die hochwertigere Mittelkonsole und die Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Chromeinsätzen hinter Klarglas der Pickup-Studie nehmen Elemente des anstehenden Facelifts vorweg.
Bei Audi haben die Glaskugel-Konzept-Autos am Wörthersee ebenfalls Tradition. Die Ingolstädter präsentierten 2008 eine A3-Studie mit Fünfzylinder-Motor, daraus wurde dann der RS3. 2009 war es ein tiefergelegter Q5 mit einem klangmodulierenden Auspuff. Das ergab dann den SQ5 und die Soundanlage ging auch beim A6 in Serie. Vor zwei Jahren warfen der A1 und der S1 ihre Schatten voraus und im vergangenen Jahr war es der RSQ3. Diesmal durften sich die GTI-Fans über eine A1 Veredelung mit der Aufschrift "leider geil" auf dem Türschweller und golden eloxierten Applikationen im Interieur sowie die Studie "Audi TT ultra quattro concept" freuen.
Zunächst schaut diese Studie aus wie ein etwas verbesserter konventioneller Audi TT. Im Innenraum werden die Unterschiede schon deutlicher: Der Fahrer blickt auf ein programmierbares digitales hochauflösendes Display und statt Außenspiegel sind wie beim Porsche Panamera Sport Turismo Concept Kameras angebracht, die das Bild auf Monitore nach innen übertragen.
Seat und Škoda richten den Blick ebenfalls nach vorne
Noch interessanter ist das Blechkleid. Durch eine Mischung aus Magnesium, Aluminium und einem Dach aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff (CFK) hat der Audi rund 300 Kilogramm abgespeckt. Die nächste Generation wird sicher nicht ganz so viel Gewicht verlieren, aber von einem Minus von etwa 200 Kilogramm geht man in Ingolstadt aus. Dass der 2.0-TFSI-Motor 310 PS schafft, dürfte dagegen kein großes Problem darstellen.
Seat und Škoda richten den Blick ebenfalls nach vorne. Die Spanier haben den "Seat Leon Cup Racer" mit 330 PS an den Wörthersee gebracht. Das brachiale Modell zeigt einen künftigen Tourenwagen und dürfte auch einiges vom neuen Serien-Seat-Leon Cupra offenbaren. Der "Škoda Rapid Sport" steht auf 19-Zoll-Alu-Felgen und zeigt eine aggressive Frontschürze mit großen Lufteinlässen.
Angesichts dieser Modell- und Varianten-Vielfalt dürften Martin Winterkorn und Ferdinand Piech bei Ihrem traditionellen Rundgang zufrieden sein. Gut möglich, dass der Patriach dem VW-Chef zuflüsterte: "Gell Herr Winterkorn, gut, dass wir dabei sind."
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