Wer schon einmal auf dem Hamburger Fischmarkt oder einem orientalischen Basar unterwegs war, der kann sich ein Bild von den gewaltigen Messehallen der Auto China in Peking machen. Überfüllte Gänge, gleißend helle Scheinwerfer und brüllende Chinesen - in Peking ist alles etwas anders als in der westlichen Welt. Die Auto China hat sich in den vergangenen Jahren zur wohl wichtigsten Automesse der Welt aufgeschwungen.
Doch länger als ein paar Stunden hält man es inmitten dieses Informations-Tsunami nicht aus. Dabei spielt die große Autoshow vor den stauverseuchten Toren Pekings eine immer größere Rolle. Längst steht ein Ausblick auf den nächsten 7er BMW nicht mehr in Deutschland oder den USA. BMW will der Mercedes-Benz S-Klasse hier zeigen, dass dass man längst noch nicht aufsteckt. Die Schwaben dagegen zeigen die realitätsnahe Studie des Mercedes-Benz MLC nicht wenige Tage zuvor in New York - sondern eben in Peking. Marktstart ebenso wie beim neuen 7er: zweite Jahreshälfte 2015.
Jeder Automobilkonzern weiß um das gigantische Kundenpotenzial Chinas. Europa liegt längst im Schatten - allein die USA können noch mithalten. Doch bei den zweistelligen Zuwachsraten in China können auch die Amerikaner kaum mithalten.
Dabei sind sich alle bewusst, dass das ertragreiche Chinageschäft gewaltige Risiken birgt. Mittlerweile haben sieben Distrikte wegen überfüllter Straßen Zulassungsbeschränkungen für neue Autos erlassen. Weitere drei sollen folgen. Und in Peking gibt es mittlerweile eine Kennzeichenlotterie. Die Analysten von IHS Automotive rechnen trotzdem in diesem Jahr mit einem Zuwachs von knapp neun Prozent. "Ein wesentlicher Markttreiber war die starke Nachfrage nach Offroad-Fahrzeugen", sagt Henner Lehner von IHS. 2013 gab es 17 Millionen Neuzulassungen - Tendenz steigend. 75 Prozent aller chinesischen Autofahrer wollen sich in den nächsten zwei Jahren einen Neuwagen kaufen. In den USA sind das knapp 70, in Europa nicht einmal 50 Prozent.
Hier und da gehören in diesem Jahr bei einigen Herstellern auch Elektrokreationen zu dem Angebot an Premieren. Doch die Ökoautos Von Denza, VW, BMW oder Audi tun sich in China ebenso schwer wie in der restlichen Welt. Ursprünglich sollten in China bis nächstes Jahr 500.000 Elektromobile unterwegs sein. Aktuell sind es gerade einmal 70.000.
Volkswagen, seit Jahrzehnten höchst erfolgreich in China, will die Marke emotionalisieren
Chinesische Hersteller wie SAIC, Dongfeng, Roewe oder FAW haben es abseits der internationalen Kooperationen auf dem Heimatmarkt unverändert schwer gegen die innovative wie imageträchtige Konkurrenz. Wer etwas auf sich hält, fährt ein deutsches Importmodell - am besten mit langem Radstand und Luxusausstattung.
Wenn in China etwas zählt, dann ist es Image und Komfort. Da kommen spektakuläre Sportler wie der 1.200 PS starke Bugatti Veyrin Black Bess genauso recht wie das 585 PS starke Mercedes S 63 AMG Coupé und selbst der Golf R donnert hier mit 400 PS auf die Bühne. Genauso schnell fahren die beiden neuen GTS-Modelle aus dem Hause Porsche. Sowohl der Cayman als auch der Boxster sind nun 15 PS und zehn Newtonmeter stärker als ihre S-Versionen. Sie sollen den Chinesen beibringen, dass Porsche eigentlich eine Sportwagenmarke ist. Auf den überfüllten Straßen von Peking, Shanghai oder Guangzhou sind fast ausschließlich Panamera und Cayenne unterwegs. Keine Frage, dass der neue Porsche Macan hier zu einem Bestseller wird.
In diese Kerbe soll auch das Audi TT offroad Concept schlagen. Doch das ist ebenso erst einmal Zukunftsmusik wie der Mercedes-Benz MLC und der BMW Vision Future Luxury, während der aufgefrischte VW Touareg ebenso wie die Neulinge BMW X4 und die Mercedes C-Klasse mit langem China-Radstand schon bald auf dem Markt sind. Wer auf Premium verzichten kann, der steigt in den neuen Volvo S60 L Plug-In-Hybrid oder den aufgefrischten Ford Focus.
Bereits vor einem halben Jahr hatte Lexus auf der IAA mit dem Konzeptfahrzeug LF-NX einen Ausblick auf einen kompakten SUV gewährt, der nun in Peking in voller Serienreife zu sehen ist. Der NX ist 4,63 Meter lang und rangiert somit unter dem RX. Der Citroen DS6 WR liegt mit seinen 4,55 Metern zwar noch darunter, doch macht das sein 4,70 Meter langer Bruder DS5 LS wieder wett. Die Franzosen haben anscheinend endlich auch in China eine Fährte aufgenommen und wollen die von allen umworbenen Premiumkunden in exklusiven DS-Shops für sich gewinnen.
Volkswagen, seit Jahrzehnten höchst erfolgreich in China, will die Marke emotionalisieren. Das soll mit Autos wie dem New Midsize Coupé gelingen, der einen Ausblick auf ein Jetta Coupé gibt. Der Viertürer greift auf einen 220 PS starken Turbobenzinmotor zurück und fährt bis zu 244 km/h schnell. Pünktlich zum 40. Geburtstag ist eigens für China eine Editions-Version des VW Golf gefertigt worden. In dem auf 19 Zoll Leichtmetallrädern fahrenden Urahn des bis heute mehr als 30 Millionen Mal verkauften VW-Bestsellers gibt es erstmals Holzapplikationen in den Türverkleidungen und auf der Beifahrerseite der Schalttafel.
|