Die Schweiz hat es ihren Besuchern in den vergangenen Jahren nicht immer leicht gemacht, sie zu lieben. Kleinste Verkehrsübertretungen kosten Phantasiesummen, berufssuchende Ausländer sind nicht überall herzlich willkommen und das hohe Preisniveau lässt Urlauber stöhnen. Doch wenn der Genfer Automobilsalon auf dem Messegelände Palexpo Anfang März seine Pforten öffnet, sieht es anders aus.
Zwar lauern die Ordnungsbehörden den automobilbegeisterten Messebesuchern auf Landstraßen und Autobahnen nach wie vor in Blockwart-Mentalität auf. Doch man ist sich durchaus bewusst, wie wichtig die Messe ist als Aushängeschild von Region, Land und kaum vorhandener lokaler Autoindustrie.
Bei der 85. Auflage des Genfer Salons sieht das nicht anders aus. Im Gegensatz zu den gigantischen Automessen in Frankfurt, Shanghai, Paris oder Peking geht es in Genf deutlich überschaubarer zu.
Einst war die Messe in Wurfweite des Flughafens Cointrin sogar ein automobiles Schmuckkästchen. Doch die Zahl der Hersteller wurde mehr und das Messezentrum Palexpo ist in die Jahre gekommen. So lebt der Genfer Salon in erster Linie davon, der inoffizielle Auftakt des europäischen Autojahres zu sein. Die Schweizer Automobilneutralität tut zusammen mit den überschaubaren Dimensionen ihr übriges, damit die internationalen Autohersteller nicht derart auf den Putz hauen können, wie ein halbes Jahr später unter dem Frankfurter Messeturm.
Zum Glück sparen sich die Hersteller wenigstens einige Überraschungen doch noch für die Messe selbst auf
Noch etwas gilt für den Genfer Automobilsalon: Keine andere automobile Leistungsschau nimmt sich ihre zahlreichen Neuheiten derart selbst vorweg. Messehöhepunkte wie der spektakuläre Mercedes-Benz G 500 4x42 für das Wochenende in der Endzeit, der coole Aston Martin Vulcan in seiner überschaubaren 24er-Auflage oder der Audi R8 waren allesamt in den Wochen zuvor schon zu bestaunen. Der überarbeitete BMW 1er, der Audi RS3 oder ein Porsche Cayman GT4 ebenso. Zum Glück sparen sich die Hersteller wenigstens einige Überraschungen doch noch für die Messe selbst auf.
Dabei finden die Besucher des diesjährigen Genfer Autosalons eine höchst ungewöhnliche, breite Mischung. Auf der einen Seite schneiden sich Familienautos ein üppiges Stück von der Messetorte ab. BMW 2er Gran Tourer, der kleine Alleskönnern Honda Jazz, der beeindruckend elegante Škoda Superb, der unaufgeregte VW Touran oder die ähnlich unaufgeregtere Toyota Avensis und Subaru Outback dürften das Herz so mancher Familie erobern.
Wie fast jedes Jahr erstrahlen auf den Palexpo-Messebühnen beeindruckende Sportwagen. Solche, die man in der streng limitierten Schweiz nicht einmal annähernd ausfahren kann. Audis R8 schafft mit seinem 610 PS starken V10-Triebwerk über 320 km/h. Ähnlich schnell sind Boden-Boden-Raketen wie der Lamborghini Aventador SV, der Ferrari 488 GTB oder der Porsche 911 GT3 RS als 500 PS starke Krönung der schwäbischen Sauger. Mindestens 600 PS und trotzdem nicht allein unterwegs? Dann dürften das Doppelpack aus Alpina B5/B6 Edition 50 oder der 900 PS starke Brabus Rocket 900 passen, ein Rennwagen im S-Klasse-Gewand.
Ohne ein Großaufgebot an SUV geht natürlich auch in der Schweiz nichts
Bentley stellt derweilen mit seinem EXP-10-Ausblick auf ein neues Luxuscoupé den seidenen Rolls Royce Ghost problemlos in den Schatten. Mercedes will nicht länger nur Premium sein und unterstreicht seinen Drang nach Höherem mit der S-Klasse-Staatslimousine Maybach Pullman eindrucksvoll - und zeigt damit, dass Audi und BMW zumindest in der Luxusliga längst eine Klasse zurückgefallen sind. Ein paar Klasse darunter will sich Citroën mit dem DS5 und seiner DS-Linie weiter Richtung Premiumliga hocharbeiten.
Und auch die Kompakten blasen am Genfer See die Backen auf. Ford Focus RS, Audi RS3, Honda Civic Type R, der Opel Corsa OPC oder der deutlich überarbeitete BMW 1er, der auch als bärenstarker Allrad-Spaßmacher für Laune sorgen wird, sind mit jeweils über 300 PS in Leistungsklassen unterwegs, die einst wahren Sportwagen vorbehalten waren. Ohne Sportversion, aber ebenfalls neu: der Toyota Auris - erstmals setzt Toyota hier auch auf Turbotechnik.
Ohne ein Großaufgebot an SUV geht natürlich auch in der Schweiz nichts. Seat will mit der Vision des 20:20 zeigen, wo sich die Marke in ein paar Jahren gerne sehen würde. Infiniti zeigt einen Ausblick auf den QX30, Audi gönnt seinem frischen Q7 als Plug-In-Hybriden einen Stecker und Range Rover verabreicht seinem extrem erfolgreichen Evoque eine leichte Auffrischung. Bald kommt der sogar als Cabrio. Deutlich organischer gezeichnet: der Renault Kadjar als französische Variante des Nissan Qashqai.
Reine Elektroautos sucht man auf dem Genfer Salon ebenso mühsam wie im vergangenen Jahr. Der Trend scheint endgültig zu zerfasern. Stattdessen schaffen es mit dem VW Sport Coupé Concept GTE oder dem seriennahen Ausblick auf eine teilelektrische Mercedes V-Klasse einige Plug-In-Hybride ins hellen Scheinwerferlicht.
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